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DRAUSSEN NUR KÄNNCHEN

Editorial

DRAUSSEN NUR KÄNNCHEN

DRAUSSEN NUR KÄNNCHEN

An meine ersten Erfahrungen in der Gastronomie kann ich mich noch sehr gut erinnern. Wie wohl bei den meisten Söhnen nahm mich mein Vater irgendwann im Alter von ungefähr vierzehn Jahren mit zum Frühschoppen in seine Stammkneipe um die Ecke. Herr Koppetsch – so der Name des Gastwirts vom „Zollern Eck“, an den ich mich noch gut erinnern kann – servierte das kleine Gedeck: Bier und Korn. Ich bekam ein “Mohrchen”, das beste Eis der Welt. Der Laden war brechend voll, alle haben geraucht, Bier und Schnaps getrunken, Kleingeld in ihr Sparfach, den Geldspielautomaten oder in die Musikbox geschmissen oder Skat gespielt, und wenn der Hunger kam, gab es eine leckere Frikadelle, die immer einladend unter der Plastikglasglocke neben der Spardose zur Rettung Schiffbrüchiger standen, oder einen Wi-Pa-Mi Bratrollmops gegen den Kater von der letzten Nacht. Mein Vater war kein Trinker, er ging nur gelegentlich in Kneipen, aber die ersten Eindrücke von den paar Mal, bei denen er mich mitnahm, habe ich noch sehr intensiv in Erinnerung. Später zog ich dann selbst mit meiner Clique durch die zahlreichen Kneipen und Discotheken, die es damals in jedem Dorf teilweise sogar gleich mehrfach gab – die Auswahl war riesig und jeder Laden war voll – an jedem Tag der Woche! Unsere Stammdiscos waren das “Studio M” und der “Markt 15” in Minden sowie das “Rodeo” in Bad Oeynhausen. Die Läden waren ebenfalls immer voll. Haupttag im “Rodeo” war der Sonntag (!); im Studio der Montag! Unter der glitzernden Spiegelkugel, die über der amerikanischen Tunneltanzfläche hing, habe ich meinen achtzehnten Geburtstag mit meinen Freunden und einer Flasche Mariacron gefeiert. Heute hängt genau diese Discokugel – dank Speedy – zuhause in unserem Treppenhaus!

Nun ja, Zeiten ändern sich. Das früher obligatorische “Draußen nur Kännchen” ist heutzutage eher eine amüsante Anekdote aus staubiger Vergangenheit, die bei jüngeren Zeitgenossen allenfalls für ein unglaubliches Staunen sorgt und heute nur noch in alteingesessenen Ausflugscafés an irgendwelchen Seeterrassen üblich ist.

Heutzutage funktioniert Gastronomie völlig anders. Mit einer Ratsherrenpfanne, bestehend aus drei Schweinemedaillons, Bratkartoffeln und Erbsen und Möhrchen, überbacken mit Sauce Bernaise, kann man heute keinen Jugendlichen mehr vom Handy in die Gastronomie locken. „Runter vom Sofa, rein in die Kneipe“ – so der Werbeslogan der damals megaerfolgreichen „Pupasch“-Kette“ funktioniert nicht mehr – nicht mal der Name wäre heute noch möglich! Und die Jugendlichen von heute ticken sowieso ganz anders: neulich habe ich mich mit dem Sohn einer Freundin über dieses Thema unterhalten. Er ist 26 Jahre jung und sagte mir, dass seine Freunde kaum Alkohol trinken, Netflix gucken, Spieleabende machen und Kräutergärten anlegen! Kräutergärten! Ich erwiderte, dass ich in seinem Alter bereits auf jeder Theke in Minden getanzt habe und diese Jugend einfach nicht mehr verstehe… Kräutergärten!

Nun ja, im Oktober haben dann zumindest die Älteren von uns ein letztes Mal die Gelegenheit, für eine Nacht eine Zeitreise in ihre Jugend zu unternehmen: wir präsentieren die allerletzte „Studio M Revival Party“, erstmalig in der historischen Weserklause am Schwanenteich und damit erstmalig an dem Platz, an dem die legendäre Disco beheimatet war. Zahlreiche Szenegänger und Nostalgieliebhaber, die die aktive Zeit der Kultdisco miterlebt haben, haben sich schon angesagt, ein letztes Mal ein Klassentreffen der Generation, die damals keine Kräutergärten angelegt, sondern im Alter von Mitte zwanzig ausgiebig gefeiert hat, und das nicht nur am Wochenende…

PS: Zur finalen “Studio M Revival Party” am 19. Oktober im “Scarabeo” bringen wir die Original-Studio M-Spiegelkugel natürlich mit und hängen sie genau da auf, wo sie schon vor über vierzig Jahren hing: über der Tanzfläche…

Herzlichst, wo immer Ihr seid

Elke Siedentopf & Dirk Sork

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