Vor einigen Jahren haben wir mal in einer geselligen Stammtischrunde über die damals schon erkennbaren Veränderungen der Innenstädte philosophiert und sind dann – mehr im Scherz – zu der Erkenntnis gekommen, dass, wenn „Hagemeyer“ mal in Minden die Segel streicht, die Stadt komplett tot ist und wie in einem schlechten Western aus den Sechzigern dann die vertrockneten Büsche durch die ehemals belebte Innenstadt fegen. Damals war das eher leicht ironisch gemeint und keiner hat ernsthaft geglaubt, dass es jemals soweit kommen könnte. In Bad Oeynhausen ist es nun soweit: „Hagemeyer“ in der Klosterstraße macht demnächst dicht! Nun ist der lokale Modegigant im Herzen der Kurstadt als Ankermieter dort vielleicht nicht ganz so fundamental wichtig, wie der riesige Flagshipstore am Scharn in Minden, aber ein Zeichen des weiteren Verfalls der Innenstädte ist er in jedem Fall. Schon vor Jahren haben wir mit Inhabern alteingesessener Traditionsgeschäfte über das sich nach und nach veränderte Stadtbild, nicht nur in Bad Oeynhausen und Minden, gesprochen. Über Zeiten, in den das Kaufhaus Hitzemann in Bad Oeynhausen noch ein echtes Zugpferd war und die Innenstadt jeden Tag proppenvoll war.
Früher sah unser Arbeitsalltag so aus: Redaktionsbesprechung morgens im Büro. „Wo fährst Du heute hin?“ „Ach, ich mache heute mal meine Runde in Bad Oeynhausen“. Also, ab in die Kurstadt, und OHNE Termin von Laden zu Laden. Abstecher bei Manni in der Boutique auf einen Kaffee, danach zu Michael ins Sportstudio. Spontan Mittagessen gehen in der Innenstadt, die Auswahl war groß: Mittagstisch an jeder Ecke, Lust auf Schnitzel mit Bratkartoffeln oder lieber Spaghetti Bolognese? Tagesgericht 9,90 Euro inklusive Espresso. Ich lade Dich ein. Danach einen Kaffee? Wo gehen wir heute mal hin?…
Arbeitsalltag heute: Ohne Termin sind Treffen mit Geschäftsfreunden nahezu unmöglich geworden. Ich kenne viele Geschäftsinhaber, die mich ohne Termin nicht einmal empfangen würden. Die Innenstädte sind in der Woche wie ausgestorben. Spontaner Mittagstisch ist zwar nicht unmöglich geworden, aber in der Auswahl stark eingeschränkt im Vergleich zu früher. Viele Restaurants haben in der Woche erst ab donnerstags geöffnet; die Küche ist um 21 Uhr geschlossen. Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen wir nach der Disco um 01 Uhr nachts noch in irgendeine Pizzeria gingen und herzhaft gegessen haben, während das Personal wie jeden Abend langsam die Küche aufgeräumt und sich dann noch auf einen Drink zu uns an den Tisch gesetzt hat!
Es gab Zeiten, in denen fast jede Woche eine Einladung zu einer Neueröffnung in unserem Postfach landete. Inoffizielle Eröffnungen wurden zelebriert, mit rotem Teppich und geladenen Gästen, quasi als Probelauf für die offizielle Neueröffnung, die nach dem Ausnüchtern und Aufräumen meistens ein paar Tage später stattfand. Das war State of the Art; das gehörte zum guten Ton. Danach lief der Laden fast von alleine.
Schon klar: Viele dieser Gedanken wirken nostalgisch verklärt und sind es sicherlich auch; früher war nicht Alles besser – aber in jedem Fall vieles anders.
Zurück zu „Hagemeyer“. Zeiten ändern sich, die Städte sahen in den Siebziger Jahren auch anders aus als heute. Aber: Die Innenstädte waren voll, Leerstand gab es kaum. Die Geschäftsleute haben sich um Läden in 1a Lage in den Innenstädte gerissen, für die beste Lage gab es Wartelisten. Wer das Glück hatte, ein Gastronomieobjekt in der Innenstadt pachten zu dürfen, konnte sich glücklich schätzen und war quasi ein gemachter Mann, wenn er sich nicht allzu doof anstellte.
Die Aussichten heute: ernüchternd. Die Pachten sind exorbitant gestiegen, viele Objekte sind trotzdem seit Jahrzehnten nicht saniert worden. Inhabergeführte Geschäfte schließen im Wochentakt. Alleine die Obermarktstraße in Minden verliert in den nächsten Monaten einige Läden, die seit Jahrzehnten ein fester und erfolgreicher Bestandteil der Innenstadt waren, ebenso wie die bereits erwähnte Klosterstraße in Bad Oeynhausen. Viele Inhaber ortsansässiger Geschäfte, auch und gerade – in der Gastronomie sind kurz vor dem Rentenalter und haben keine Nachfolger.
Wie um Himmels Willen sehen unsere Innenstädte in fünf Jahren aus?
Herzlichst, wo immer Ihr seid
Elke Siedentopf & Dirk Sork